Volle Ladung Tagung: Die 25. Dresdner Verpackungstagung beleuchtet Wertstoffgesetz, E-Commerce und neue Materialien.

So viel Dresdner Verpackungstagung war nie. Rund 180 Teilnehmer, drei spannende Themenblöcke, viele wertvolle Informationen, gute Impulse und Diskussionen sowie klare Ansagen sorgten für eine erfolgreiche Tagung.

Rund 180 Teilnehmer aus der Branche trafen sich am 3./4. Dezember auf der vom Deutschen Verpackungsinstitut (dvi) veranstalteten Dresdner Verpackungstagung. Neben den arrivierten Experten begrüßte die Tagung auch zahlreiche Studierende aus Berlin, Stuttgart, Heilbronn, Dresden und München, denen eine nahezu kostenfreie Teilnahme ermöglicht wurde. »Möglichst frühe Kontakte zum Netzwerk der Verpackungswirtschaft und die Möglichkeit, unter dem Nachwuchs nach klugen Köpfen Ausschau zu halten machen unser Angebot zu einer klassischen Win-win-Situation«, erklärt Winfried Batzke, Geschäftsführer des dvi und Moderator der Tagung.

Insgesamt freut sich Batzke über eine sehr gelungene Tagung. »Wir hatten sehr fundierte Vorträge, gute Diskussionen, klare Ansagen und fruchtbare Kontroversen. Das Feedback der Teilnehmer war äußerst positiv. Auch die Erwartungen der Tagungssponsoren Gerhard Schubert GmbH, DSD – Duales System Holding GmbH & Co. KG, Stora Enso AB und LINHARDT GmbH & Co. KG wurden voll erfüllt.«

Neue Werkstoffe und Trends bei Verpackungsmaterialien

In seinem Eröffnungsvortrag »Biokunststoffe. Hype oder Notwendigkeit« gab Prof. Dr.-Ing. Hans-Josef Endres, Institutsleiter des Instituts für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB), einen ebenso klaren wie fundierten Überblick zum Thema Biokunststoffe. Endres adressierte und korrigierte das grassierende Halbwissen rund um den Werkstoff, schilderte den aktuellen Zustand bei der Produktion uBild_3nd Anwendung und gab einen facettenreichen Ausblick. Seiner Meinung nach macht Abbaubarkeit bei Verpackungen keinen Sinn. Bevor man diese durch ganz Deutschland fahre, um sie in speziellen Anlagen kalt zu verbrennen, solle man sie besser recyceln, um die Wertstoffe zu erhalten und wieder zu verwerten. Aktuell wachse die Produktion mit zweistelligen Raten, jedoch von einem niedrigen Niveau. Bis 2019 wird die Produktion auf 8 Mio. Tonnen geschätzt. Mit 82,4% fließe der Großteil davon in den Verpackungsbereich (aktuell 67,8%). Der Kritik, dass für die Produktion der Biokunststoffe wertvolle Ackerflächen verwendet werden, hielt Endress entgegen, dass wir aktuell weniger als 0,01% der Fläche dafür verwenden. Selbst wenn weltweit alle Kunststoffe biobasiert erzeugt würden, reichten dafür 5% der Ackerfläche bzw. ein 10% geringerer Verlust der globalen Lebensmittelverluste.

Dipl.-Phys. Florian Pump, Programm-Manager und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der TU Dresden, Professur Materialwissenschaft und Nanotechnik, erläuterte im Anschluss, was Nanotechnologie ist und wie wir sie im Alltag erleben. Sein Fazit: Nanotechnologie kann als Querschnittstechnologie helfen, die Lebensqualität global zu steigern und die großen Probleme der heutigen Zeit zu lösen. Für die Verpackung verspreche die Nanotechnologie Fortschritte bei Barrierefunktionen, verbesserte Abbaubarkeit und antimikrobielle Funktionen. Pump wies jedoch darauf hin, dass es bisher nur sehr wenige Lifecycle-Analysen von Nanostrukturen gebe.

Innovation in Renewable Packaging Business war das Thema von Marko Hakovirta, Senior Vice President Innovation and R&D des Stora Enso Consumer Board. Anschaulich zeigte Hakovirta auf, dass Innovationen Zeit bräuchten und nicht über das Knie gebrochen werden könnten. Hakovirta betonte die Bedeutung von Open Innovation im Netzwerk der Partner, von exaktem Monitoring des Marktes und den nötigen Fokus auf die Kommerzialisierung der Lösung als Knackpunkt erfolgreicher Innovationsarbeit. Gerade an Letzterem scheiterten letztlich viele der Innovationsbemühungen. Hakovirtas Fazit: »Ultimately it all comes down to the fact that successful innovation is all about cross-functionality and teamwork.« (Letzlich lässt es sich darauf reduzieren: Erfolgreiche Innovation geht nur mit Cross-Funktionalität und Teamwork.)

Die Tube als ein bewährtes Prinzip mit innovativen Möglichkeiten stand im Mittelpunkt des Vortrags von Rudolf Holzner, Business Development Manager Mehrschichttube bei Linhardt. Erfunden 1841 von dem US-Maler John Rand eröffnete sie der Menschheit nicht nur den Impressionismus, der ohne Farbe in Tuben nicht möglich gewesen wäre, sondern in der Folge eine ganze Reihe von neuen Möglichkeiten. Mit der Multiflex-Tube überschreite Linhardt nun die Grenzen der herkömmlichen Laminattube. »Die neBild_2ue Technik erlaubt völlig neue Freiheiten im Schichtaufbau und auch bei der Materialwahl. Die immense Bandbreite an Folien und der hohe Freiheitsgrad möglicher Kombinationen versprechen Antworten auf Fragestellungen, die noch gar nicht formuliert wurden«, so Holzner.

Recycling – Pro und Contra der Entsorger sowie das neue Wertstoffgesetz

Eine runde Sache mit kontroversen Positionen und abschließender Podiumsrunde bot der Themenbereich rund um Recycling und das neue Wertstoffgesetz. Die Tagung öffnete drei grundlegende Perspektiven auf das hochaktuelle Thema über die Vorträge von Dr. Benjamin Bongardt (Leiter Ressourcenpolitik des NABU e.V.), Helmut Schmitz (Leiter der Gruppe Interne Kommunikation bei Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH) und Dr. Matthias Klein (Referent beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit).

Dr. Klein verdeutlichte zum Einstieg die wesentlichen Eckpunkte des aktuellen Gesetzentwurfes, gab ausführliche Einblicke in den Stand des Verfahrens und Ausblicke auf die nahe Zukunft. Erhöhung der Verwertungsanforderungen, die Einrichtung einer zentralen Stelle, die Erweiterung der Produktverantwortung auf stoffgleiche Nichtverpackungen, neue Herstellerpflichten und Verteilung der Aufgabenverantwortung bei der Organisation der einheitlichen Wertstoffsammlung waren zentrale Punkte in Dr. Kleins Vortrag.

Helmut Schmitz (Der Grüne Punkt, Duales System Deutschland GmbH) thematisierte innovative Rücknahmelösungen, die notwendig seien, um die unerlässliche Wertstofferhaltung und Nachhaltigkeit zu garantieren. Schmitz gab fundierte Informationen über die Lenkungswirkung der Produzentenverantwortung, Duale Systeme als zentrale Akteure der Kreislaufwirtschaft, die ökologische Effektivität von Kunststoffrecycling, Anforderungen an Rücknahmesysteme und innovative Ansatzpunkte für die weitere Entwicklung. In Bezug auf die Nachhaltigkeit der Leistungen des Grünen Punkts berichtete Schmitz von einem Anstieg der Verwertungsquoten von 3% Anfang der 1990er-Jahre auf aktuelle 58%. Jedes recycelte Kilogramm Kunststoff erspare der Welt 0,8 kg CO2. Und das Potenzial für mehr stoffliches Recycling sei vorhanden. Auch die Kosten habe man dank Wettbewerb und Innovation halbieren können. Der Hauptteil der Kosten mache mit fast 2/3 die Sammlung aus. Dies seien Kosten, die sich kaum minimieren ließen. Das Fazit von Helmut Schmitz: Innovation braucht Investition, nachhaltige Lösungen statt kleinteilige und einseitige Fokussierung, einen adäquaBild_4ten politischen Rahmen, um Anreize zu setzen sowie die Bereitschaft der Produktverantwortlichen, ihre Gestaltungsmöglichkeiten auch zu nutzen.

Dr. Benjamin Bongardt (NABU e.V.) gab einen klar akzentuierten, kontroversen Blick auf das Thema Recycling und Wertstoffgesetz. Seiner Meinung nach ist Recycling nicht die Lösung. »Es ist nicht ›alles gut‹ in Deutschland. So ehrlich muss man schon sein«, so Bongardt. Er kritisierte mangelnde Bestrebungen und finanzielle Anreize für EcoDesign und forderte eine Listung »abfallarmer Produkte« im Handelsregal. Nachhaltige Lebensstile müssten massentauglich gemacht werden. »Es muss sich finanziell lohnen, bewusst – und wenig – zu konsumieren.« Von der Politik erwartet Bongardt, »dass sie den Vorrang der Abfallvermeidung tatsächlich in bestehende Regelwerke, Gesetze und Instrumente einführt«.

Wie eCommerce die Verpackungslandschaft verändert

Welche Verpackung braucht der eCommerce? Wie sieht der eCommerce-Markt aus? Und was macht den Kunden aus, auch im Unterschied zu anderen Ländern? Ingmar Böckmann, bis vor kurzem Referent E-Commerce/Logistik/IT beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. und aktuell im Dienst eines großen Elektronikhändlers, schilderte die Entwicklung des deutschen eCommerce-Marktes, dessen Warenwert von unter EUR 30 Mrd. im Jahr 2006 auf aktuell rund EUR 54 Mrd. gewachsen ist. Sein mit zahlreichen Daten unterlegter Vortrag stieß auf große Aufmerksamkeit und führte im Anschluss zu einer ganzen Reihe von Fragen und Beiträgen aus dem Auditorium.

Lebensmittel sind im eCommerce eine Herausforderung für Verpackungs- und Logistiksysteme! Sind sie das? Dr. Volker Lange (Leiter Verpackungs- und Handelslogistik des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik [IML]) gab den Tagungsteilnehmern einen prägnanten Einblick in den aktuellen Stand der Entwicklung im Bereich Lebensmittel(verpackungen) im eCommerce. Dr. Lange fasste die bisherigen Erfahrungen zusammen und gab einen Ausblick, wie man den Herausforderungen zukünftig begegnen könne. Unterlegt wurden die Aussagen durch die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung, bei der das IML eine Reihe von Testkäufen bei unterschiedlichsten Anbietern durchgBild_5eführt und ausgewertet hatte.

Disruptiv ist eine Technik, die eine vorhergehende komplett obsolet macht. Entsprechend provokant, eloquent und informativ zeigte sich Julian Jost (Gründer und Geschäftsführer der Printmate GmbH) in seinem Vortrag »Endlich! Die digitale Disruption erreicht die Verpackungsbranche.« Jost stellte eindringlich die Macht des digitalen Wandels dar, der die Frage »Kann ich das technisch?« nicht zulässt sondern nur die Frage: »Wie schnell bin ich bereit dafür und wie schnell kann ich es meinen Kunden bieten?« Günstige Produktionstechniken, Akzidenzdruck, Abschmelzen großer Aufträge und vermehrtes Aufkommen kleiner Mengen in kürzester Zeit sowie gedruckte Elektronik schaffen neue Bedingungen, die die Langsamen schnell hinter sich lassen werden. Nach Ansicht von Jost müssen Anbieter von Verpackungen zu Servicelieferanten werden, die das Premium-Segment bedienen, da ansonsten die Gefahr groß sei, dass man zum reinen Materiallieferanten werde. Die Technik erlaube es, dass die großen Player wie Amazon, Zalando etc. ihre Verpackungen schlicht selber herstellen. Sein Fazit packte Jost in die Worte von Jeffrey Immelt, CEO von General Electric, der sagte: »You go to bed as an industry company und you wake up as a software company« (Sie legen sich schlafen als Industrieunternehmen und wachen auf als Softwareunternehmen).

Welchen Mehrwert können Verpackungen im eCommerce bieten? Dirk Busemeyer (Business Support National Sales & Marketing bei Smurfit Kappa) ging dieser Frage in seinem Vortag »Deliver beyond expectations« nach. Busemeyer zeigte anhand zahlreicher Beispiele auf, welche Schwächen viele Verpackungen im eCommerce immer noch aufweisen – von unverständlichen Öffnungsmechanismen über Ladevolumen im einstelligen Prozentbereich bis zum gedankenlosen Patchwork beim Kleben und Etikettieren. Im Gegensatz dazu biete Smurfit Kappas E-ready packaging deutlichen Mehrwert. Vom emotionalen Auspackerlebnis über einfaches Retourenhandling und Nachhaltigkeitsaspekte bis zur Produktsicherheit.

Einen spannenden Bericht aus der Praxis eines Lebensmittelversenders boten zum Abschluss der Tagung Jens Drubel und Max Thinius (AllyouneedFresh.de). Unter dem Titel »Lebensmittel-Onlinehandel – Innovationstreiber für Verpackung und Logistik« berichteten Drubel und Thinius von 5 Jahren Erfahrungen und steten Innovationsbemühungen aus der Praxis. Zudem stellten sie die gemeinsam mit DHL entwickelte Multibox 2 vor, bei der Beutel in die Box eingehängt werden, um die Produkte ohne Bodenkontakt stoßfrei transportieren zu können. Die Multibox 2 ist komplett maschinenfähig und wird als Mehrwegbox vom Boten nach Aushändigung der Beutel direkt wieder mitgenommen. »Das Ziel ist, mit möglichst wenigen Versandverpackungen möglichst flexibel verschiedenste Waren liefern zu können.« Probleme bereiten laut Drubel und Thinius Produktverpackungen, die nicht für den Versand optimiert sind und zu empfindlich auf Druck, Stoß oder Temperaturunterschiede reagieren. Für die Zukunft sieht AllyouneedFresh.de spezielle Produktverpackungen für den Onlinehandel, die unter anderem auch für die Darstellung im Onlineshop optimiert sind.

Die 26. Dresdner Verpackungstagung findet am 1./2. Dezember 2016 statt. (© dvi, Fotos: dvi)

www.verpackung.org

- Anzeige -