DVI, Dresdner Verpackungstagung

Themenvielfalt, ein starkes Netzwerk und Nachwuchs für die Branche

Über 160 Teilnehmer, 12 Fachvorträge, eine lange Nacht des Netzwerks, reichlich Kompetenz und junge Köpfe für die Zukunft: Die 26. Dresdner Verpackungstagung geizte auch 2016 nicht mit ihren Reizen. Die Themen reichten dabei von Origami für die Industrie über 3D-Bilderkennung, Hightech und Nachhaltigkeit bei Materialien, der Revolution im Retail, 3D-Druck und temperaturgeführtem Online-Versand bis hin zu Design4Recycling.

 

Nach den Rekordzahlen des Vorjahres konnte die Dresdner Verpackungstagung erneut mit einer starken Präsenz der Branche glänzen. »Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt und wir konnten erneut rund 30 Studierenden verpackungsrelevanter Studiengänge den nahezu kostenfreien Zugang zur Tagung ermöglichen«, freut sich die Geschäftsführerin des veranstaltenden Deutschen Verpackungsinstitut (dvi), Kim Cheng. »Mit der Einbindung des Nachwuchses können wir den Studierenden einen frühzeitigen Einstieg in das Branchennetzwerk bieten. Gleichzeitig ermöglichen wir es unseren professionellen Teilnehmern, frühzeitig Kontakt zu interessanten Nachwuchskräften aufzunehmen.«

Auch Chengs geschäftsführender Kollege in der dvi-Doppelspitze, Winfried Batzke, zeigte sich mit dem Ergebnis der von ihm moderierten Tagung zufrieden. »Es gab viele spannende Informationen, wir hatten exklusive Einblicke, neue Erkenntnisse und reichlich Anlässe für gute Diskussionen im Netzwerk. Vielen Dank dafür auch an unsere Sponsoren.«

Origami für die Industrie

Gleich zu Beginn der Tagung bot Kristina Wißling (Ge1_katarina-wisslingschäftsführerin, Origami für die Industrie) den Teilnehmern Einblicke in Geschichte, Technik und Potentiale einer Jahrhunderte alten Technik, die erst in den 50er Jahren von Mathematikern wiederentdeckt und weiter entwickelt wurde. Origami, die Kunst des Gestaltens über das Falten, findet mittlerweile industrielle Anwendung von der Raumfahrt bis zur Verpackung. Ein großer Vorteil der mathematischen Kunst ist laut Wißling, dass mit Origami Materialkosten und Zeit bei bereits existierenden oder neu entwickelten Produkten eingespart werden können. So lassen sich selbst komplexe Bauteile aus nur einem Stück fertigen, Kosten für Lagerung und Transport durch Volumenersparnisse senken, Druckfestigkeit und Steifigkeit von Objekten erhöhen und die Anzahl der benötigten Arbeitsschritte in Produktion und Anwendung verringern.

Nachhaltiger Faltschachtelkarton

Im Anschluss gab Ari Kiviranta (Senior Vice President Production & Tec2_ari-kivirantahnology, Metsä Board Corporation) einen Überblick über die Entwicklungen und Forschungsarbeiten der Metsä Group im Bereich Investitionen und Nachhaltigkeit. So verringerte sich der Materialaufwand für leichtgewichtiger Karton zwischen 1980 und 2010 von 315 auf 275 g/m3. In den Jahren zwischen 2009 und 2015 konnten die CO2 Emission pro Tonne des Produkts um 42% gesenkt werden, der Prozesswasserverbrauch um 16% und der Energieverbrauch um 10%. 60% der benötigten Energie stammen inzwischen aus Bioquellen. Mit der neuen »modernsten Faltschachtelkartonmaschine Europas«, einer neuen Extrusionsbeschichtungsanlage in Husum und dem »weltweiten ersten Bioproduktewerk der nächsten Generation« in Äänekoski sieht sich Metsä gut gerüstet für die Zukunft. Bei dem Biomasse-Konzept wird laut Kiviranta jeder Teil eines Baumes optimal verwertet, was die vollständige Nutzung aller Nebenprodukte einschließt. Kein schlechtes Argument, bedenkt man, dass »das Holz, das für eine Tonne Karton benötigt wird, in Finnland in weniger als einer Sekunde nachwächst«.

Hightech und Nachhaltigkeit bei Folien

Ediz Türkmen (Geschäftsführer, Korozo GmbH) warb in de3_ediz-tuerkmenr Folge für die Hightech-Folien seines Unternehmens und den Industriestandort Türkei. Nach dem gescheiterten Militärputsch und der weiterhin angespannten politischen Lage in der Türkei zeige sich die Kunststoffindustrie unbeeindruckt. Der Verband schätzt den Output der türkischen Kunststoffverarbeitung für 2016 auf 9 Mio. Tonnen, wobei der Verpackungssektor mit 3,4 Mio. Tonnen den Grossteil abnimmt. Aktuell ist die Türkei damit europäisch die Nummer zwei der Kunststoffverarbeitung hinter Deutschland. Im Bereich der Hightech-Folien könne Korozo als einziges Unternehmen sowohl Siegelfolie als auch Duplex und Triplex-Verbunde selbst herstellen und darüber Nachverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit und Qualität der Deckelfolie gewährleisten. Das Marktpotential speziell der Kapseln sieht Türkmen noch lange nicht ausgereizt. In den USA gebe es bereits Angebot zum Beispiel für Suppen oder Cola aus der Kapsel. Korozo habe bereits die nächste Generation recycelbarer Folie entwickelt, doch seien Industrie und Endverbrauche noch nicht bereit, die höheren Kosten hierfür zu tragen.

Nachhaltige Verpackungslösungen aus Sicht eines F4_dirk-stolteolienherstellers thematisierte Dirk Stolte (Leiter Forschung und Entwicklung, prepacgroup). Über eine Reihe von konkreten Zahlen zeigte Stolte, wie gering der Einsatz von Mineralöl und der entstehende CO2-Ausstoß einer Verpackung im Vergleich zum verpackten Gut sind. »Der CO2 Ausstoss, verursacht durch die Produktion von 1 kg Rindfleisch, ist 65x höher als der für die benötigte Verpackung. Der Energieverbrauch für den Lebenszyklus eines Käses von Produktion bis in den Kühlschrank ist 50x höher«. Trotzdem sei das Maß wichtig, »weder unterverpackt noch überverpackt. Beides hat negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Ressourcen.« Als Smart Point einer Verpackung sieht Stolte die Materialeinsatz-Effizienz, die Reduktion der Dicke, die Anpassung des Formats und den abgewogenen Einsatz von Biokunststoffen. Auch bei der prepacgroup konnte man die Menge des eingesetzten Materials in den vergangenen Jahren deutlich senken. Bei Oberfolie im Bereich Frischfleisch um 14%, bei Stretch-Sleeve als Etikett für PET Mehrwegflaschen um 20%. Zum Abschluss warf Stolte einen differenzierten Blick auf das Thema Biokunststoffe. Sein Fazit: »Es ist ein zunehmender Trend zu beobachten, dass der Fokus stärker auf nachwachsende Rohstoffe als auf die Kompostierbarkeit gelegt wird.«

Bildverarbeitung als Kernkompetenz für Maschinenbauer

Einen beeindruckenden Einblick in die 5_ralf-schubertGeschichte und die neuesten Innovationen im Bereich Bildverarbeitung bei Verpackungsmaschinen gab Ralf Schubert (Geschäftsführer, Schubert GmbH). Auf seinem Weg vom Durchlicht- und Auflichtscanner bis zum Lichtschnittverfahren und dem 3D-Scanner passierten die Teilnehmer Stationen wie die erste Pralinenpackstraße der Welt 1984 und der ersten Pickerlinie für Kekse 1991 bis hin zu den jüngsten TLM-Maschinen, die das Packgut höhenvermessen, eine Vollständigkeitskontrolle durchführen, über Farb- und 3D-Bild verfügen und so auch Produkte in kontrastarmen Umgebungen finden sowie leere Nester identifizieren. Über eine Stereo-Kamera ist für die Picker zudem der »Griff in die Kiste« möglich, was Zeit-, Kosten- und Qualitätsvorteile bringt. Für Schubert gehört die Bildverarbeitung zu den Kernkompetenzen für Maschinenbauer – quod erat demonstrandum.

Differenzierung und Digitalisierung

Über die InlineCan als neue Möglichkeit zur Differenzierung berichtete Martin Ham6_martin-hammermer (Business Development Manager, Optima consumer GmbH). Als gradwandige Verpackungslösungen für direkt In-house und Inline eigne sich die InlineCan laut Hammer für eine Vielfalt von Produkten von Nüssen über Schrauben, Pulver, Bohnen und Mehl bis hin zu Tampons. Besonders ins Auge fielen die logistischen Vorteilen, da sich bei Transport und Lagerung die Aufwände um rund 90% senken lassen.

Die Herausforderungen der Digitalisierung, ihre Auswirkungen auf Verpackungsmaschinen für Getränke und die Möglichkeiten neuer Geschäftsmodelle standen im Zentrum des Vortrags von Andreas Gschrey (Projektmanager Di7_andreas-gschreygitalisierung, Corporate Research and Development, Krones AG). Neue Geschäftsmodelle ergäben sich vor allem durch den Bereich Software. Digitalisierung vereinfache die Sicht des Endanwenders, führe aber beim Hersteller zu komplexeren Maschinen. Die Zeit der grundlegenden Musterlösungen und statischen Vorlagen sei vorbei. Individualisierung und Dynamik erforderten ein interdisziplinäres Arbeiten, das die einzelnen Puzzle-Teile der Digitalisierung – wie IT-Abteilung, Forschung Entwicklung, Produktion und Services – verbinden müsse. Gschrey‘s finaler Hinweis: »Der grösste Teil der Digitalisierung ist das, was Sie nicht sehen – und das ist gleichzeitig die größte Herausforderung.«

Design4Recycling

Christina Schulz (Projektmanag8_christina-schulzement Nachhaltigkeit, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH) gab spannende Einblicke und praktische Tipps hinsichtlich der Herausforderungen einer recyclinggerechten Verpackungsgestaltung. Mit dem Konzept Design4Recycling wird schon am Anfang einer Verpackung der Schlüssel für die optimale Verwertung in einem »Closed Loop« gelegt, damit aus einer Verpackung nach dem Recycling wieder eine Verpackung werden kann. Eine recyclinggerechte Verpackung schafft laut Schulz deutliche Vorteile, da sie den Sortier- und Verwertungsprozess unterstützt, zu hochwertigem Premium-Rezyklat verarbeitet werden kann, die Umwelt schont und den Weg zu einer modernen Kreislaufwirtschaft unterstützt. Design4Recycling beginne bei der Analyse der Verpackungskomponenten und beinhalte Typ und Kombination der verwendeten Materialien, Restentleerbarkeit, Einfärbungen, Bedruckung, Klebstoffe, Verschlüsse und anderes mehr. Christina Schulz informierte über die Neuerungen im aktuellen Entwurf des VerpackG gegenüber der VerpackV. Ein wichtiger Punkt dabei: »Für die Verwendung von recyclingfähigen Materialien sowie Rezyklaten und nachwachsenden Rohstoffen sollen Anreize geschaffen werden die sich in den Beteiligungsentgelten niederschlagen.«

The Retailrevolution

Von der Idee bis ins Regal. Ein Prozess im Wandel der Z9_bernhard-stradnereit definiert sich neu. Unter diesem Titel gab Bernhard Peter Stradner (Geschäftsführer, Schawk Goslar) einen verpackungsrelevanten Einblick in Trends und Entwicklungen rund um den POS im digitalen Zeitalter. »Nullen und Einsen brachten uns das Netz. Dann folgte die mobile Revolution. Gerade verändert sich der Einzelhandel und es wäre naiv zu glauben, dass unsere liebe Verpackung verschont bleibt.« Die Verpackung habe 100% Kundenkontakt und bringe einen überzeugenden Return on Invest. Laut Stradner lagen die Kosten pro Konsumenten-Klick im Onlinebereich 2015 bei durchschnittlich USD 1,56. Mit der Verpackung könne man Kunden zu Null-Kosten erreichen, wenn man z.B. QR-Codes verwende. Produkte ließen sich zudem mit Diensten verbinden und die mögliche Personalisierung bringe Mehrwert für Kunden und Marke. Insgesamt seien Kundenkontakt und -bindung viel einfacher und effizienter. Am Ende eines informativen Vortrags mit Bildern, Beispielen und vielen Zahlen zu aktuellen Trends zieht Stradner ein klares Fazit auch für den Handel: »Vernetzte Lösungen sind die grosse Chance für POS und Retailer. Content vernetzen und vernetzten Content in die Läden bringen für ein individualisiertes Kauferlebnis. Das ist die Zukunft des Einzelhandels.«

Digital- und 3D-Druck

Um die Möglichkeiten und Grenzen des D10_eugen-herzauigitaldrucks in der Verpackungsherstellung ging es im Vortrag von Prof. Dr. Ing. Eugen Herzau (Leiter Studiengang Druck- und Verpackungstechnik, HTWK Leipzig). Herzau zeigt den Digitaldruckmarkt als extrem vielschichtig und verglich etablierte Systeme mit aktuellen Prototypen. Neben der grossen Vielfalt an Tintenstrahldrucksystemen existierten derzeit ausgeprägte Sonderlösungen. Potentiale sieht Herzau beim integrierten Marketing vom Banner bis zum Produkt. Es gebe Möglichkeiten der steigenden Differenzierung und Diversifizierung des Sortiments, insbesondere für Handelsmarken. Digitaldruck ergänze die konventionellen Druckverfahren für Verpackungen, wobei eine Ablösung bei kleinen Auflagenhöhen zu erwarten sei. Auch Herzau sieht in der Zukunft neue Geschäftsmodelle durch die neuen Möglichkeiten beim Digitaldruck in der Verpackungsherstellung.

Über Transportverpackungen aus dem 3D-Drucker berichtete Jörg Loges (stellvertretender Institutsleiter, Instituts für Verpackungstechnik [IfV]). Im Fokus standen additiv gefertigte Transportverpackungen aus nachhaltigen Rohstoffen – wie z.B. der Druck mit Pulver aus der Miscanthus-Pflanze (Elefantengras) – und die Möglichkeiten des 3D-Drucks für Verpackung und Logistik. »Wenn Produkte immer weiter individualisiert werden, müssen dafür dann auch die entsprechenden Verpackungen produziert werden«, so Loges. Zukünftige Anwendungsbereiche der 3D-gedruckten Verpackung könnten ebenso im Drucken großvolumiger Transportverpackungen und Ladungsträger liege wie in der gedruckten Verpackung als Smart Object. Als nächste Herausforderungen für Forschung und Entwicklung nannte Loges neue, verfeinerte Druckverfahren, Materialentwicklung, Automatisierung und die Kombination mit anderen Verpackungsmaterialien in einem Fertigungsschritt.

PIM und temperaturgeführter Online-Versand

Produktinformationsmanagement und Shopsystem – Herz und Kreislauf für eine gesunde Multichannel-Strategie. Unter diesem Titel gab Jens Müller (Leiter Marketing & E-Business, ratioform Verpackungen GmbH) detaillierte Einblicke in die Praxiserfahrungen bei der erfolgreichen Etablierung eines PIM-Systems im B2B-Versandhandel. Vom Status Quo beim Start über Learnings aus 20 Monaten Projektlaufzeit inklusive Evaluierungsphase bis hin zur Anbindung des Webshops und der ersten Katalogproduktion – die Teilnehmer der Tagung erhielten exklusive Einblicke. Auf die Frage, ob Verpackungsherstellern über eigene B2B-Onlineshops zur Konkurrenz für den etablierten Großhandel werden könnten, zeigte sich Müller als Vollsortimenter wenig besorgt.

Eine mehrfach ausgezeichnete Innovation beim temperaturgeführten Versand im Onlinehandel präsentierte Stefan Lerchner (Leiter Marketing, Dinkhauser Kartonagen Vertriebs GmbH) zum Abschluss Verpackungstagung. Der »foodmailer« stellt sich dabei als Systemlösung aus Verpackung, Kühlmittel und Kalkulator dar. Die Verpackung aus 100% Wellpappe integriert eine ausgetüftelte Lösung für die Luftzirkulation und verwendet ein lebensmittelunbedenkliches, quellbares Pulver, wie man es aus Windeln kennt. Der foodmailer kann volumensparend zum Anwender transportiert werden, wo er in Wasser gelegt und anschließend auf die benötigte Temperatur gefroren wird. Die Verpackung benötigt auch im Einsatz weniger Volumen als Styropor und ist deshalb günstiger beim Transport. Die Entsorgung kann regelgerecht über das Altpapier erfolgen. Mit dem Online-Kalkulator können Verwender zudem den genauen Bedarf an Verpackung individuell für ihr Produkt und die jeweilige Transportentfernung berechnen. (Fotos: DVI)

www.verpackung.org

 

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