Prof. Dr. Martin Dreher, Wissenschaftlicher Leiter DFTA-Technologiezentrums, Stuttgart/D
Druckabstimmungen online? – JA! Die Corona-Pandemie hat uns vor allem eines gezeigt: nicht alle, aber viele der vorher unternommenen Geschäftsreisen können durch digitale Medien nahezu verlustfrei ersetzt werden. Die digitalen Medien dazu waren prinzipiell auch schon vorher vorhanden, aber jetzt sind sie auch akzeptiert und werden allerseits zur Einsparung von Kosten und Steigerung der Effizienz genutzt. Kann das auch die sogenannten Druckabnahmen vor Ort in der Druckerei revolutionieren, um Ressourcen zu sparen? Im DFTA Technologiezentrum hat man dazu eine Lösung entwickelt.
Die Verpackung ist das Gesicht der Marke! Sie wirkt als »stiller Verkäufer« überall dort, wo sich Kunden an einer Auswahl von Waren selbst bedienen und kann insofern als der wahrscheinlich ursprünglichste »Markenbotschafter« gesehen werden. Verständlich, dass die Produkthersteller der Verpackung ein besonders attraktives Aussehen geben möchten, zumal dies nachgewiesenermaßen anziehend wirkt. Besonders erwünscht sind dabei die verwendeten Markenfarben bzw. deren präzise Erzielung und Reproduzierbarkeit.
Kann man sich bei der Spezifikation der gewünschten Anmutung auf einen Druckstandard berufen? Nein, den gibt es nicht – mehr noch, es kann ihn gar nicht geben. Verständlicherweise kauft man aber auf der anderen Seite als Markenartikelunternehmen auch nicht gerne die sprichwörtliche »Katze im Sack« und was bleibt dann anderes übrig, als sich vor Ort in der Druckerei bei der ersten Produktion der neuen Verpackung ein eigenes Bild davon zu machen, ob diese den Erwartungen entspricht. Voila, da ist die sogenannte Druckabnahme.
Druckabnahmen vor COVID-19
Üblich war, dass ein Vertreter des Auftraggebers aus dessen Einkaufsabteilung oder Marketing für diese Druckabnahme zur Druckerei reiste. Personen dieses Umfelds haben jedoch eine gänzlich andere Vorbildung als die Drucktechnik und besitzen typischerweise kaum Erfahrungen darin. Aber irgendjemand musste die Aufgabe ja ausführen. Also hat man einen Termin vereinbart, die Reise geplant, sich die Kosten genehmigen lassen, andere Termine verschoben, dann oft den Termin für die Druckabnahme noch mal verschoben usw. Natürlich verursachte das einen beträchtlichen Zeitbedarf, teils tagelange Abwesenheit, somit Verzögerungen bei anderen Aufgaben, und vor allem Kosten und Stress! Vor Ort in der Druckerei verbrachte man die Zeit mit Warten, ersten Begutachtungen nach oft naiven ästhetischen Vorstellungen, im Vergleich mit unpassenden Vorlagen, mittelmäßig bis schlecht qualifizierten Änderungswünschen, fachlichen Diskussionen, telefonischen Rücksprachen, warten auf Ausführung, Begutachtung der Korrekturmaßnahmen, Kaffee trinken und essen gehen, um dann am Ende noch in zeitliche Bedrängnis mit der Heimreise zu kommen. Noch mehr Stress!
Dem aufmerksamen Leser wird bereits aufgefallen sein, dass in der obigen Aufzählung von Handlungen rund um die Druckabnahme bereits eine Menge Optimierungspotenzial steckte. Daher haben wir in der DFTA-Akademie einen Leitfaden für solche Präsenz-Druckabnahmen konzipiert. Flankiert wird er durch einen entsprechenden eintägigen Workshop. Alles unter dem Motto: wenn die Druckabnahme effizient läuft, dann nutzt das allen Beteiligten.
Positive Folgen der Pandemie?
Über die Folgen der COVID-19 Pandemie kann man sicherlich lange diskutieren, für den Autor bleiben dabei aber einige wenige durchaus positive Folgen zu nennen. Die in unserem Umfeld wohl wichtigste davon ist die »Salonfähigkeit« von Videokonferenzen. Obwohl nicht allerseits beliebt, so sparen sie doch unbestritten Zeit und Reisekosten. Die Schonung der Ressourcen, die im Schlepptau folgt, passt darüber hinaus gut in das gewachsene Umweltbewusstsein der Gesellschaft. Vor allem lassen sie aber einen viel flexibleren Tagesablauf zu als zuvor möglich. Wer konnte vorher schon morgens (virtuell) in Singapur, mittags in Stuttgart und nachmittags in San Francisco sein? Dementsprechend gehe ich davon aus, dass ein großer Teil der früheren geschäftlichen Besprechungen dauerhaft in den Videokanal verlagert wird.
Nicht verwunderlich, dass in diesem Lichte natürlich auch die Durchführung von Präsenz-Druckabnahmen hinterfragt wird bzw. im akuten Lockdown sogar sofortige Alternativen gefunden werden mussten. Das ging uns im DFTA-Technologiezentrum auch so! Plötzlich durften unsere Kunden nicht mehr zu uns kommen, um ihre wichtigen Versuche zur Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Lösungen persönlich zu begleiten und je nach Ergebnis eventuell die Weichen umzustellen. Wir haben das anfänglich ganz pragmatisch mit Telefonkonferenzen, Sprachnachrichten, Videoaufnahmen und elektronischem Versand von Bildern zu lösen versucht. Unser Resümee daraus ist: Es geht, aber es ist sehr langwierig und anstrengend! Als besonders schwierig hat sich die genaue Abstimmung von Farbtönen erwiesen, aber es ließ sich auch sofort erahnen, wie schwierig die Beurteilung von Glanz-/Matt-Effekten sowie Metallic-Farben werden würde.
Wie geht also Fern-Druckabnahme?
Einfach nur eine Videokonferenz zu eröffnen genügt nicht. Das wurde ziemlich schnell und »schmerzhaft« deutlich. Zumindest sind darüber hinaus dann noch einige der üblichen Hilfsmittel sowie Meß- und Prüfgeräte und deren entsprechende Vorschriften hauptsächlich auf Seiten der Druckerei vonnöten. Nicht unwichtig ist dabei auch eine profunde Kenntnis der jeweiligen Fähigkeiten und Grenzen entsprechender Messungen und Prüfungen! Und zwar auf beiden Seiten – in der Druckerei genauso wie beim Auftraggeber.
Diese Kollektion aus Bildmaterial und Messergebnissen dann allerdings einfach so über Datenleitungen zu verschicken ist auch noch nicht ausreichend. Auf der Gegenseite müssen die Bilder und Werte nämlich natürlich auch verstanden werden. Dazu muss ein gewisses Mindestmaß an Abstimmung und Augenhöhe in punkto Fachkenntnissen gegeben sein.
Wir haben daher unseren konzipierten Workshop für Präsenz-Druckabnahmen kurzerhand als Basis für das neue Konzept der Fern-Druckabnahme herangezogen. Auch dies vermitteln wir in einem Präsenz-Workshop! Es mag dabei etwas anachronistisch aussehen, eine später ausschließlich virtuell stattfindende Aktion (nämlich die Begutachtung und Genehmigung eines Druckergebnisses über digitale Kanäle) mittels eines Präsenz-Lehrgangs zu ermöglichen, aber das scheint uns die einzige Möglichkeit zur Sicherung aller notwendigen Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien zu sein. Der entsprechende Workshop befindet sich seit kurzem im Schulungsportfolio der DFTA-Akademie. Beiderseitige Präsenz und das Absolvieren einer anspruchsvollen Abschlussprüfung sind dabei der Schlüssel zur Funktion des ganzen Konzeptes.
Ziele und Inhalte des neuen DFTA Workshops
Selbstverständlich ist die Vermittlung von Fachwissen immer eines unserer vordringlichsten Ziele in unseren Workshops. Konkrete Handlungsrichtlinien zu den Dingen, die man tun und denen, die man lassen sollte, gibt es aber natürlich auch. Nebenbei entlarven wir aber auch die vermeintlichen »sicheren Häfen«, also die Aspekte, wo fälschlicherweise durch die Technik Sicherheit vorgegaukelt wird. Darüber hinaus trachten wir immer nach einer Optimierung von Technik und Kosten. Im vorliegenden Fall heißt das insbesondere, dass man den Blick auf die wirklich wichtigen Dinge richtet und die unwichtigen getrost ignorieren kann. Getreu nach dem Motto: Wenn man es nicht sieht, dann ist es verschenkter Aufwand. Und letztlich liegt auch in der persönlichen Begegnung der Parteien ein sehr geschätztes Potenzial zur Mediation, also der Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses. Wichtiges Arbeitsmaterial ist hierbei auch der oben erwähnte neue Leitfaden für die Präsenz-Druckabnahmen.
»Systemvoraussetzungen«
Druckabnahme ohne entsprechendes Instrumentarium zur Beurteilung und Messung durchführen zu wollen ist kaum denkbar. Aber welche davon können wir auch für die Fern-Druckabnahme nutzen und benötigen wir noch zusätzliche? Die vereinfachte Antwort ist, dass Gerätschaften weitestgehend identisch sind, jedoch die Fern-Druckabnahme noch mindestens ein zusätzliches Gerät benötigt.
Nicht vergessen werden sollen aber auch die »Eingangsprüfungen«: Sind die beurteilenden Personen überhaupt »farbtüchtig«? Sind die ab Musterungsbedingungen vor allem hinsichtlich der Beleuchtung tauglich? Erfüllt die physische Vorlage bzw. der Proof die notwendigen Mindestvoraussetzungen? Sind Farbmessgerät und Untergrund angemessen bzw. richtig eingestellt? Nur dann können wir sicherstellen, dass es nicht zu vermeidbaren Fehlbeurteilungen kommt.
Das besagte zusätzliche Gerät ist ein Flachbettscanner. Je nach Druckmotiv kann darüber hinaus auch noch die Kamera eines Smartphones nützlich sein. Und zuletzt ist natürlich auch ein Computermonitor unabdingbar, der Farben bestmöglich differenziert darstellen kann, vor allem auf Seiten des beurteilenden Auftraggebers.
Auf die Digitalisierung kommt es an!
Fern-Druckabnahmen müssen zwangsläufig darauf zurückgreifen, das erzeugte Druckbild wieder zurück zu einer digitalen Bilddatei zu wandeln. Dafür brauchen wir einen Scanner. Das Smartphone geht hier übrigens nur sehr bedingt, weil es auf Umgebungslicht angewiesen ist und damit beträchtliche Verfälschungen des Bildeindrucks erzeugen kann. Aber auch mit einem Scanner geht es nicht automatisch gut! Die nebenstehenden Abbildungen zeigen drohende Gefahr. Verwendet man hier nämlich ein untaugliches Gerät, dann kann es zu erheblicher Metamerie kommen. Metamerie ist eine der größten Bedrohungen beim Versuch, Farben genau zu reproduzieren.
Letzteres ist ein wesentlicher Inhalt aller Druckabnahmen – deswegen haben wir uns natürlich darum besondere Gedanken gemacht. Unser Konzept geht daher ganz besonders auf diesen Aspekt ein. Der entsprechende Scanner ist dabei nur ein Teil der Lösung, wenn auch ein ganz wichtiger.
Der Zeitfaktor
Neben einigen weiteren Unwägbarkeiten, die in unserem Konzept für die Fern-Druckabnahme geprüft und behoben werden, spielt auch der Faktor Zeit eine gewichtige Rolle. Schließlich ist das an der Reise des Auftraggebers gesparte Geld schnell verpulvert, wenn die Abnahme des Druckbildes dann stundenlang dauert. Insofern berücksichtigt unser ausgearbeitetes Konzept auch diesen Aspekt.
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die DFTA-Akademie erheblichen Aufwand investiert hat, um einen nützlichen Schulungskurs für Auftraggeber und Druckereien zu konzipieren, dessen Resultat nicht nur Qualität sichert, sondern auch noch Geld spart. Das Team des DFTA- Technologiezentrums steht für Anfragen dazu gerne zur Verfügung. (Grafiken: DFTA)