DFTA Fachkräftemangel – Ein brisantes Thema, das in der digitalen, privaten und beruflichen Welt immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Klagelieder über den Mangel an qualifiziertem Personal, fehlende Loyalität oder überzogene Ansprüche potenzieller neuer Mitarbeiter werden immer lauter. Auch die Mitglieder des DFTA Flexodruck Fachverbands e. V. bleiben von dieser drängenden Problematik nicht unberührt. Um einen tieferen Einblick in dieses Themenfeld zu erhalten, führte der Verband ein aufschlussreiches Gespräch mit DFTA-Neumitglied Thomas Schmitt, einem angesehenen Experten auf diesem Gebiet und Managing Partner bei insight – International Management Consultants.
Der Arbeitgebermarkt wird zunehmend zum Arbeitnehmermarkt – was bedeutet das für unsere Branche?
Es wird die – eh schon schwierige – Suche nach den passenden Mitarbeitern weiter erschweren und dies wird sich auf alle Bereiche (Auszubildende, Fachkräfte, Führungskräfte) auswirken. Der Wettbewerb mit anderen Branchen, um die richtigen Mitarbeiter, wird weiter an Fahrt gewinnen, da unsere Industrie hier häufig schon mit Branchennachteilen zu kämpfen hat. Dazu gehören zum Beispiel geringeres Ansehen und geringere Bekanntheit als andere Branchen oder niedrigere Tariflöhne als in anderen Industrien. Deshalb wird es um so wichtiger, dass sich die Unternehmen wettbewerbsfähig aufstellen und dem Thema »Fachkräftemangel« mehr strategische Bedeutung im Management einräumen. Es wird zukünftig die gesamte Klaviatur bespielt werden müssen. Stichworte hier sind u.a. zeitgemäße Recruiting – Prozesse, Initiativen zum Aufbau einer Arbeitgebermarke, klare Personalentwicklungspläne, Fokus auf Aus- und Weiterbildung von Quereinsteigern, usw.
Kann Digitalisierung und KI dem Fachkräftemangel entgegenwirken, indem den Mitarbeitenden einfache Arbeiten abgenommen werden und sie sich so auf andere Arbeiten konzentrieren können?
Ich bin sehr vorsichtig, was diese Themen und damit zusammenhängende Prognosen angeht. Ich bin sicher, dass KI und Digitalisierung unsere Arbeitswelt nachhaltig verändern wird, aber ich stimme nicht in den allgemeinen Hype ein. Klar ist, dass Unternehmen produktiver werden müssen, wenn sie dauerhaft am Markt erfolgreich sein möchten und dies wird zwangsläufig dazu führen, dass »unproduktive« Tätigkeiten durch Roboter, Digitalisierung oder KI ersetzt werden. Aber es werden neue Berufsfelder entstehen und somit bietet dies auch wieder Chancen für Unternehmen und Arbeitnehmer. Dass das Thema KI oder Digitalisierung den Fachkräftemangel entscheidend beeinflusst, sehe ich im Moment eher nicht.
Worin sehen Sie die größte Herausforderung: In dem Gewinn neuer Arbeitskräfte oder in dem Erhalt bestehender Arbeitskräfte?
Sowohl als auch. Wer heute Schwierigkeiten hat, gute Mitarbeiter zu halten, wird auch große Probleme haben Leistungsträger für das Unternehmen zu gewinnen, da die Gründe für die Ablehnung vielfach ähnlich gelagert sind. In einem Arbeitnehmermarkt hat der Arbeitnehmer ein deutlich breiteres Angebot, aus dem er auswählen kann. Dies wirkt sich bereits spürbar auf die Erwartungshaltung der Arbeitnehmer aus – Stichworte hier sind unter anderem die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben, der Wunsch nach mobilem Arbeiten und flexibler Zeiteinteilung oder auch eine deutlich gestiegene Erwartungshaltung im Hinblick auf die Vergütung. Unternehmen, die sich hier nicht gesprächsbereit und flexibler zeigen, werden Schwierigkeiten haben – sowohl was das Halten der eigenen Mitarbeiter angeht als auch was die Gewinnung von neuen Mitarbeitenden betrifft.
Welche Gründe für den Fachkräftemangel sehen Sie, neben den bekannten, speziell für die Druck-und Verpackungsbranche?
Aus meiner Sicht gibt es hier drei maßgebliche Gründe:
Grund 1: Die Unternehmen sind häufig eher unbekannter und nicht im notwendigen Maße am Arbeitsmarkt sichtbar. Gerade für branchenfremde Kandidatinnen und Kandidaten ist die Druck- und Verpackungsbranche mit ihrer Vielfalt und ihren Möglichkeiten, häufig nicht ausreichend sichtbar. Hier muss die gesamte Branche mehr für Sichtbarkeit tun.
Grund 2: Viele der Unternehmen der Druck- und Verpackungsindustrie sind mittelständisch geprägt und häufig noch in Familienhand. Wir beobachten in diesem Zusammenhang häufig ein eher konservativeres Führungs- und Arbeitsverständnis, was dann ggf. auch zu Schwierigkeiten im Hinblick auf die Anforderungen und Erwartungen der aktuellen und potenziellen Mitarbeiter führen kann. Die Vorzüge dieser familiären und langfristig orientierten Unternehmenskultur kommen nicht ausreichend zur Geltung bzw. werden nicht in ausreichendem Maße der ggf. geringeren Flexibilität gegenübergestellt.
Grund 3: Die Prozesse und Abläufe rund um das Thema Recruiting sind nach unserer Beobachtung an vielen Stellen leider unzureichend. Die Prozesse dauern viel zu lange, der Fokus auf den Kandidaten fehlt und die Professionalität im Recruiting-Prozess ist vielfach verbesserungswürdig. Heute frisst nicht mehr der Große den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen. Dies scheint noch nicht in allen Unternehmen angekommen zu sein.
Die Unternehmen unserer Branche müssen sich mit der Generation Y und Gen Z auseinandersetzen. Während die Generation Y Flexibilität und eine ausgewogene Work-Life-Balance fordert, wobei Gehalt keine Priorität hat, trennt Gen Z klar zwischen Beruf und Privat, hat hohe Gehaltsvorstellungen und ist schnell wechselbereit – wie schaffen es die Unternehmen unserer Branche, beiden Ansprüchen gerecht zu werden?
Ebenso wie beim Thema KI und Digitalisierung, bin ich mit solch pauschalen Zuschreibungen eher vorsichtig. Ich teile die Auffassung nicht, dass es »DIE« Generation Y und Z gibt, die in ihren Wünschen und Erwartungen klar und einheitlich ist. Ich denke der Umgang mit allen Generationen zeigt deutlich, dass Unternehmen flexibler werden müssen. Es gibt nicht mehr »die eine« Art der Arbeit. Es wird Mitarbeiter geben, die lieber ins Büro kommen, den sozialen Austausch schätzen, das persönliche Miteinander suchen und es wird Mitarbeiter geben, die mehr Flexibilität in der Arbeitsgestaltung erwarten. Für beide Wünsche müssen Arbeitgeber plausible Antworten finden. Diese Antworten werden von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein, weil die Antwort auch immer zum Unternehmen passen muss. Es gibt hier keinen »one size fits all« Ansatz. Ich will den Fokus in diesem Zusammenhang aber auch auf eine Generation lenken, die in der Lösung des Fachkräftemangels unerlässlich ist – die erfahrenen Arbeitnehmer in der Altersklasse 55+. Auch diese haben Anforderungen an Arbeit und auch hier wird es kluge Modelle geben müssen, wie man diese Arbeitnehmer langfristig und zielführend ins Unternehmen einbindet und sie weiter qualifiziert und fortbildet, um auch in einem sich stark wandelnden Arbeitsmarkt noch einen guten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten zu können.
Laut Stepstone-CEO Sebastian Dettmers haben im vergangenen Jahr (2022) so viele Menschen gearbeitet wie noch nie – warum befinden wir uns dennoch im Zeitalter des Fachkräftemangels?
Sebastian Dettmers stellt hier heraus, dass man bei einer reinen »Zustandsbeschreibung« heute noch nicht flächendeckend von einem Fachkräftemangel sprechen kann. Dies ist im Übrigen auch die Auffassung der Bundesagentur für Arbeit, die für 2022 keinen flächendeckenden Fachkräftemangel sieht. Dies stimmt so auch: Der Fachkräftemangel zeigt sich nicht in allen Bereichen des Arbeitsmarkts in der gleichen Schärfe. Besonders deutlich ist er heute schon in Wirtschaftsbereichen, die durch eher schwierige Arbeitszeiten und geringe Entlohnung in den Schlagzeilen sind. Die bekanntesten Beispiele wären hier mit Sicherheit Pflegeberufe, Hotel- und Gaststättengewerbe oder Erzieher:innen. Dass die Druck- und Verpackungsindustrie vielfach bereits ebenfalls über den Fachkräftemangel klagt, zeigt wie dringlich das Thema ist, weil es in den kommenden 10–15 Jahren nochmals massiv an Fahrt aufnehmen wird. Hauptgrund hierfür ist der demografische Wandel und die Tatsache, dass die Bevölkerung Deutschlands (ohne gesteuerte Zuwanderung) schrumpfen wird. Je stärker diese Entwicklungen im Arbeitsmarkt ankommen, desto mehr werden wir einen flächendeckenden Arbeitskräftemangel (nicht »nur« Fachkräftemangel) spüren.
Wir danken Ihnen für das Gespräch. (Bildquelle: Schmitt Privat)
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