Der Verband der Hersteller selbstklebender Etiketten und Schmalbahnconverter e.V. (VskE) hatte zu seiner Herbsttagung (9.–11. November) nach Göttingen gerufen und rund 260 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt.
Wer schon einmal bei einer dieser Tagungen war, weiss, dass unternehmerische Themen mit technischen Fachthemen gemixt werden und so eine einzigartige Mischung entsteht, von der jeder Teilnehmer etwas mit nach Hause nehmen kann. Und vor allem kommt das so wichtige Networking nicht zu kurz.
Neben Interna wie der Bericht der Geschäftsführung über die Verbandsaktivitäten, und der Schatzmeisterin (sie war verhindert) über die Finanzen, gab Robert Mägerlein als Sprecher des Arbeitskreises Digital einen Zwischenbericht über die »Roadmap der Digitalisierung im Etikettendruck«. Die Teilnehmer im Arbeitskreis haben sich das Ziel gesetzt, die einzelnen Wertschöpfungsketten einer Etikettendruckerei daraufhin zu untersuchen, welches Digitalisierungspotenzial sie beinhalten. Als greifbares Ergebnis soll eine Informationssammlung entstehen, die aufzeigt, welche Vorteile mit einer entspechenden Datennutzung entstehen und Hinweise gibt, unter welchen Voraussetzungen sich diese auch rechnen können.
Einen recht umfangreichen Rückblick über die Labelexpo Europe hatte Herbert Knott parat, der viele Einschätzungen zu Neuheiten, Entwicklungen und Trends lieferte und auch nicht mit kritischen Anmerkungen und Überlegungen sparte. Man merkte bei dieser Rückschau, dass hier ein gestandener Praktiker berichtete, der viele Jahre selbst an der Maschine stand und weitere Jahrzehnte Kunden beriet und schulte. Das schafft andere Blickwinkel.
Technische Themen dieser Veranstaltung behandelten z.B. die »Nachhaltige Entsorgung von Randstreifen und Stanzgitterabfällen« (Lundberg Tech) – immerhin werden im Fertigungsprozess von Etiketten mehr als die Hälfte des Rohmaterials zu Abfall; »Metallische Veredelung« (Leonhard Kurz Stiftung) durch Digital Metal UV-Inkjet-Module mit vor- oder nachgeschaltetem Farbdruck; sowie den »Technologiewandel bei Rollenetiketten durch wässrigen Inkjet-Druck« (Sihl GmbH) wo der Referent darstellte, welche Eigenschaften zur Tintenaufnahme die Etikettenoberflächen benötigen, um für hochwertige Drucke geeignet zu sein.
Welche vielfältigen Möglichkeiten durch den Einsatz von »Plasma – das unbekannte Potenzial des vierten Aggregatzustandes« entstehen zeigte Prof. Dr. Wolfgang Viöl (HAWK Hocschule für angewandte Wissenschaft und Kunst) in vielen Beispielen. Bekannt ist Plasma z.B. in Form von Blitzen. Weitgehend unbekannt ist dagegen, dass Plasma in einer kalten Variante hervorragend geeignet ist, um Wunden zu heilen, ungewünschte Parasiten zu beseitigen und Oberflächen zu desinfizieren. Dank Kalt-Plasma-Technologie ist auch eine Behandlung von empfindlichen Oberflächen wie Papier, Glas, Kunststoff etc. möglich, wo sie deren Eigenschaften bezüglich Haftung und Beständigkeit von Farben, Lacken, Klebern usw. verbessert.
Sehr informativ und unterhaltsam vorgetragen von Jürgen Grimm (in Vertretung von Prof. Dr. Ulrich Hermann) war das Thema »Digitale Transformation im deutschen Maschinenbau am Beispiel Heidelberg«. Produzierende Unternehmen missverstehen die Chancen der Digitalisierung häufig als inkrimentelle Weiterentwicklung des Produktions- oder Lösungssystems unter Anwendung des Internets. Sie laufen Gefahr, das eigentliche Potenzial einer digitalen Wertschöpfungskette nicht oder nur teilweise zu erschließen.
»Der Innovationsgeist fällt nicht vom Himmel« – unter dieser Überschrift erläuterte Gerald Hüther (Professor für Neurobiologie und Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung), dass die kreativen Potenzial von Mitarbeitern kreative Führung erfordere und ein Betriebsklima, in dem ein kreativer Geist herrscht. Erfolgreiche Unternehmen funktionieren ähnlich wie menschliche Gehirne. Die Entfaltung verborgener Potenziale im Unternehmen sei eine große Herausforderungen. Das menschliche Gehirn sei zeitlebens lernfähig und passe seine innere Organisation an die Art und Weise seiner Nutzung an. Um den Schatz zu heben, der im Potenzial der Mitarbeiter stecke, bedürfe es einer Unternehmenskultur, die Zugehörigkeit und Engagement stärke.
Schlussendlich verblüffte Dr. Marco Freiherr von Münchhausen zu Beginn seines Vortrags über »Das digitalisierte Gehirn« mit einer Konzentrationsübung und der Aussage, dass auch die Tagungsteilnehmer diese können und kündigte dieses Experiment an (– und es gelang). Der Verlust von Konzentration, ständige Unterbrechungen (vor allem durch digitale Medienvielfalt) und die Folgen des Multitasking seien in der jüngsten Vergangenheit ein Problem geworden. Die Fähigkeit zur Konzentration aber sei eine Schlüsselfunktion in der modernen Arbeitswelt und ein entscheidender Faktor für Erfolg und Effizienz. Fragen wie: »Welche Folgen hat die Digitalisierung für das menschliche Gehirn?« oder »Warum ist Konzentration so wichtig und was passiert, wenn wir sie verlieren?« wurden erläutert und erklärt, wie Konzentration funktioniere und wie man sie bewuss herstellen und trainieren könne. Der »Mensch 4.0« sei in der Lage, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, ohne dabei die Fähigkeit zur Konzentration zu verlieren.
Die nächste Tagung wird im Frühjahr 2018 (12.–14. April) in Marburg stattfinden. (Fotos: Klos-Geiger)